Die Triffids
Wer sein ganzes Leben in einer bestimmten Ordnung zugebracht hat, stellt sich nicht in fünf Minuten völlig um.1
Kann eine Gesellschaft überleben, in der Menschen erblinden und von einer ökologischen Katastrophe bedroht sind? Diese Apokalypse beschreibt der 1951 veröffentlichte Roman Die Triffids, des britischen Science-Fiction-Autors John Wydnham.
Auch dieser dystopische Roman spiegelt die Gegenwart. Er beschreibt das Lebensgefühl der Menschen hier aus der Perspektive eines britischen Bürgers, einige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges.
Einige Konzerne bestimmen die Ökonomie. 1951, nur 6 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, beherrscht die Menschen die Angst vor einem Krieg mit atomaren oder biologischen Waffen. Es herrscht das Gleichgewicht des Schreckens, die militärische Ost-West Konfrontation. Ein Kampf der Systeme zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Auf der einen Seite die „freie Welt“, und andererseits die Staaten hinter dem „Eisernen Vorgang“, Sowjetunion und China, von denen die „freie Welt“ wenig Informationen erhält. Häufiger äußern Personen in dem Roman die Hoffnung „Die Amerikaner werden uns helfen“. Dies ist eine Erinnerung an den 2. Weltkrieg, der auch mit der amerikanischen Militärintervention in Europa endete.
In dieser Situation führt der technische und wissenschaftliche Fortschritt zur Katastrophe. Satelliten in der Erdumlaufbahn kollidieren mit einem Meteoriten, und es entstehen Strahlungen durch die Menschen erblinden. Gleichzeitig werden Krankheitserreger freigesetzt, die zu einer Pandemie führen.
Die Triffids, eine im Labor entwickelte Pflanze, verbreiten sich über die gesamte Erde. Aus ihnen lässt sich wertvolles Pflanzenöl gewinnen, und deshalb haben sie eine wichtige ökonomische Bedeutung. Allerdings sind die Triffids besondere Pflanzen: Diese Pflanzen können wandern. Es sind fleischfressenden Pflanzen mit einem Stachel, dessen Gift für Menschen tödlich ist. Dies ist die Ausgangssituation, die William Mason nach einer Augenoperation vorfindet. Er ist nicht erblindet und arbeitet in einem Unternehmen, das die Triffids zur Ölgewinnung nutzen.
Die Infrastruktur bricht zusammen und die bisherige Ordnung löst sich auf. Banden beherrschen die Straßen der Städte. Es kommt zum Selbstmord von einsamen Blinden, die den Hungertod fürchten. Es entstehen neue Machtverhältnisse zwischen der Gruppe der Blinden und der Gruppe der Sehenden. Die Sehenden stellen sich die ethische Frage: Sollen wir als Gruppe der Sehenden unser eigenes Leben und damit auch das Überleben der Menschheit retten, oder ist es die Pflicht der Sehenden, sich um die Blinden zu kümmern. Beide Pläne beschreibt der Roman.
Mason wird als Sklave an zwei Blinde gefesselt, um deren Ernährung zu sichern. Er lernt die sehende Josella kennen und beide versuchen gemeinsam in dem Chaos zu überleben. Verlieren sich jedoch in dem Chaos aus den Augen. Dies ist ein Handlungsstrang des Romans, der sich auch für eine Verfilmung des Romans anbietet, und tatsächlich wurde eine britische Serie mit dem Titel Die Pflanzen des Schreckens gedreht.
Der Roman ist ein Bericht Bill Masons und wird aus der Perspektive der Sehenden erzählt. Der Leser erfährt wenig über das weitere Schicksal der Blinden.
Die Sehenden organisieren sich in Gruppen, verlassen die Städte und leben wegen der besseren Lebensmittelversorgung auf dem Land. Sie leben auf Inseln, um sich besser vor den Angriffen der Triffids zu schützen.
Denn Nutznießer der ganzen Katastrophe sind die fleischfressenden Triffids. Sie jagen die Menschen. Die künstlich hergestellten Triffids verfügen über Intelligenz und sind in Lage, miteinander zu kommunizieren. Sie werden zu einer tödlichen Gefahr für die Menschen. Dies erinnert an die aktuelle Diskussion, ob genetisch veränderte Pflanzen das ökologische Gleichgewicht gefährden.
Zusammenfassung
Mir wird in diesem Roman die Apokalypse zu dick aufgetragen. Ich hätte diesen Roman in zwei Erzählungen aufgeteilt. Einen ökologischen Roman und einen Roman, wie sich eine Gesellschaft neu organisiert, in der die Mehrheit der Menschen erblindet.
Dieser Roman ist in einer einfachen Sprache geschrieben und deshalb leicht zu lesen.
Der Roman beschreibt die Gefahren des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Akzeptiert aber auch, dass Menschen auf die Wissenschaft angewiesen sind. Am Ende des Romans soll Bill Mason als Wissenschaftler mithilfe der Wissenschaft erforschen, wie die Plage der Triffids beseitigt werden kann.
Der Roman beschreibt eine Gesellschaft in einer schweren Krise, die auf das Unerwartete nicht vorbereitet ist und stellt die Frage, wie schützt eine Gesellschaft die schwächeren Mitglieder. Wie groß ist die Solidarität oder ganz praktisch, wie groß ist die Hilfsbereitschaft der Menschen.
Der Roman in der Popkultur und der Weltuntergang in der Popmusik
Im Titelsong der Rocky Horror Picture Show Science Fiction/Double Feature wird der Roman in einer Textzeile erwähnt:
And I got really hot when I saw Jeanette Scott fight a Triffid that spits poison and kills.2
Allerdings bezieht sich die Textzeile auf eine Verfilmung des Romans aus dem Jahr 1962 The Day of the Triffids, die nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem Roman besitzt.
Auch die Popmusik widmet sich mit zahlreichen Songs dem Weltuntergang und dem Zusammenbruch der gültigen Verhältnisse.
Die Band REM veröffentlichte den Song It’s the end of the world we know it, (and I feel fine) 1987 auf der LP Document.
Der Song war in dem Film Independence Day und in einer Simpson Folge zu hören. Auch Trump ließ diesen Song bei einer Wahlkampfveranstaltung spielen. Dies Verbot ihm dann der verärgerte Michael Stipe.
Der Songtitel wurde zu einem geflügelten Wort. Auf dem Cover des Nachrichtenmagazins Der Spiegel aus dem Jahr 2016 lautete nach der Wahl Trumps die Schlagzeile Das Ende der Welt (wie wir sie kennen). Während 9/11 spielten Radiostationen diesen Song nicht, und während der Corona Pandemie schaffte es der Song wieder in die Charts.
In dem Song von REM beginnt der Weltuntergang mit einem Erdbeben. In einem unglaublichen Tempo und kaum zu Verstehen singt Michael Stipe Untergangs- schlagwörter, wie earthquake, hurrican, overflow. Das Überraschende an diesem Song ist die Fröhlichkeit. Ein Weltuntergangssong zu dem man Tanzen kann.
Wir leben in einer Eventgesellschaft. Das größte Event wäre der Weltuntergang, aber wer würde zum Weltuntergang fröhliche Musik hören und tanzen?
In Douglas Adams Roman „Das Restaurant am Ende des Universum“3 (Der zweite Teil der „Per Anhalter durch die Galaxis“ Reihe) wird der Weltuntergang zu einem Event. Jeden Abend treffen sich die Besucher in dem Restaurant am Ende des Universums, um den Weltuntergang live zu erleben. Hier könnte ich mir einen Liveauftritt von REM mit dem Song „It’s the end of the world we know it, (and I feel fine)“ sehr gut vorstellen.
Der Kulturkritiker Walter Benjamin schrieb in einem Essay über den Fortschritt und die Katastrophe.
Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es »so weiter« geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende sondern das jeweils Gegebene. Strindbergs Gedanke: die Hölle ist nichts, was uns bevorstünde- sondern dieses Leben hier.
Die Rettung hält sich an den kleinen Sprung in der kontinuierlichen Katastrophe.4
Für Benjamin sind die bestehenden Verhältnisse bereits eine Katastrophe und der Zusammenbruch der bestehenden Verhältnisse wäre für ihn ein Fortschritt.
Währen der Corona Pandemie wünschten viele Menschen die Rückkehr zur „Normalität“ mit Besuchen von Konzerten, Treffen mit Freunden.
Aber ist die Rückkehr zur „Vor-Corona-Normalität“ erstrebenswert? Vielleicht sollten wir Angst haben vor der Rückkehr zur „Normalität“. Vielleicht ist die Rückkehr in die „Vor-Corona-Normalität“ die Rückkehr in die Katastrophe: Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken. Eine weitere Ausbeutung der Ressourcen und Verschmutzung der Umwelt, Die Schere zwischen Armen und Reichen wird weltweit immer größer, und gleichzeitig verschwenden Millionäre mehrere 100 Tausend Dollar für einen 2 Minuten „Flug ins All“.
Ziel muss es sein, diese Pandemie zu überwinden und nachhaltigere Gesellschaftsstrukturen zu schaffen. Mit der „Vor-Corona-Normalität“ dürfen wir uns nicht zufriedengeben.
Dann könnte der Song von REM einen Sinn bekommen:“It’s the end of the world we know it, (and I feel fine)“
1) Die Triffids. John Wyndham. Wilhelm Heyne Verlag München. Vollständige Neuausgabe 03/2012. Aus dem Englischen von Hubert Greifender. Überarbeitet von Inge Seelig, S.22.
2) Die Triffids, abgerufen am 10.September 2021
3.) Douglas Adams. Das Restaurant am Ende des Universums. Übersetzt von Benjamin Schwarz. Rogner & Bernhard, 1982
4) Walter Benjamin. Gesammelte Schriften Band I-2, Werkausgabe Edition Suhrkamp 1980, S.683