The Beast in me. Johnny Cash…und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik
Hello I’m Johnny Cash3
Blues und Countrymusik
Überschrieben ist das Buch über den Countrysänger Johnny Cash mit einem Zitat aus dem Song New World Order des Soul Musikers Curtis Mayfield. Will Dobler mit diesem Zitat auf die reichhaltigen Wechselwirkungen zwischen Country- und afroamerikanischer Musik hinweisen?
Zentren dieser Musikrichtungen liegen in Tennessee: Nashville, das Zentrum der Countrymusik, und die Nachbarstadt Memphis, die Stadt des Blues. Damit waren gegenseitige Beeinflussungen zwangsläufig.
Die Radiostationen und Plattenfirmen teilten aus Marketing Gründen den Musikmarkt in zwei große Stilrichtungen ein:“Race Music“ für die schwarzen Hörer und Hillbilly/Country für die weißen Hörer. In den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts war die Rassentrennung noch gesetzlich festgeschrieben und man wollte die weißen Hörer
nicht im Unklaren lassen…., wer da singt1 .
Auch in der Kunst sollte ein soziales Miteinander verhindert werden. Eine künstliche Trennung: Es bestanden zahlreiche Kontakte zwischen Blues und Country Musikern. Einige Beispiele:
Der afroamerikanische Musiker Lesley Riddle sammelte Songs für die Countrygruppe Carter Family. The Father of Country Music Jimmie Rodgers integrierte den Blues und spielte zusammen mit der Jazz Legende Louis Armstrong. Der Countrymusiker Hank Williams lernte das Gitarrenspiel beim afroamerikanischen Musiker Rufus Payne2. Der Soul Musiker Ray Charles veröffentlichte 1962 eine LP mit Countrymusik und auch aktuell veröffentlichen afroamerikanische Sänger Countrymusik.
Johnny Cash
Im lockeren Plauderton erzählt Franz Dobler die außergewöhnliche Karriere des Countrymusikers Johnny Cash.
Cashs Vorfahren wanderten aus Schottland in die USA ein. Er wuchs in einer ärmlichen Familie in den Südstaaten auf, die vom Baumwollanbau lebte. Sein Vater war zeitweise als Wanderarbeiter (Hobo) unterwegs. Aufgrund mangelnder Perspektiven verpflichtete sich Cash bei der Air Force und war 3 Jahre in Landsberg an der Lech stationiert. Hier spielte er zum ersten Mal mit anderen Soldaten in einer Band; The Landsberg Barbarians.
Cash ging nach seiner Armeezeit nach Memphis zurück. Hörte Blues Musik, wie auch die Countrymusik die „schwarze Musik“ integrierte.
Er traf Sam Phillips und nahm im berühmten Sun Records Studio seine ersten Stücke auf. Hier produzierte Philips viele schwarze Künstler und auch Elvis Presley. Sam Phillips hatte einen großen Anteil, dass die Musikkarriere von Cash sehr schnell Fahrt aufnahm.
Countrymusik lebt mit dem Vorurteil, sie wird von weißen konservativen und reaktionären Amerikanern gehört. Songs über Gott, Glauben verbunden mit patriotischen Überzeugungen.
Auch Cash sang Lieder mit religiösen Inhalten (er veröffentlichte eine Gospel-LP) und patriotischen Inhalten (Ragged Old Flag). Neben dem Patriotismus der Tea Party Bewegung, existiert auch ein Patriotismus, der sich gegen Rassismus wendet und die Rechte von Minderheiten verteidigt. Nach seinen schnellen Anfangserfolgen veröffentlichte Cash LPs mit kritischen Inhalten zur amerikanischen Geschichte. Auf dem Album Bitter Tears: Ballads of the American Indian aus dem Jahr 1964 singt Cash über das Schicksal der Indianer. Zu dieser Zeit interessierte sich niemand für die Geschichte und das Leben der Indianer. Einige Radiostationen weigerten sich Songs aus dieser LP zu spielen. Cash gewann mit dieser LP neue Fans in der aufkommenden Folk-Bewegung, die sich auch als gesellschaftskritisch verstand.
Es gab schon immer Diskussionen über die Frage: Was ist echte Country Musik? Es bestand immer eine Distanz zwischen dem Image der Countrymusik und seiner Realität. Cash ist ein Countrymusiker, der in keine Schublade passte. Cashs langjährige Drogen- und Tablettenabhängigkeit passte nicht zum sauberen Image der Countrymusik, die er mit mehr „Glück als Verstand“ und seiner zweiten Frau June Carter überlebte.
Zum Image der Countrymusik passt auch nicht das Livekonzert 1969 im Gefängnis von San Quentin, das zu seinen besten Konzerten gehört. Ein Konzert vor Straftätern, die von ihren Wärtern bewacht wurden. Das Konzert wurde aufgezeichnet, und zeigt, wie Cash die Strafgefangenen mit dem Song San Quentin zu Jubelstürmen hinreißt. Das Konzert passt zu den düsteren Texten des Man in Black: Texte über Mörder, Tod und die finsteren Seiten des menschlichen Lebens. In vielen Songs singt Cash über die Unterdrückten der Gesellschaft.
Das Buch beginnt und endet mit dem Comeback Johnny Cashs in den 90er-Jahren, das seinen Ruhm als einen der einflussreichsten Countrysänger festigte. Ab den 70er-Jahren verströmten die Liveauftritte Cashs im Vergleich zu den Rockmusikern etwas Spießiges. Er war ein Musiker von gestern. 1986 kündigte die CBS nach 28 Jahren den Plattenvertrag. Für die CBS war Cash zu alt, und sie sahen ihn am Karriereende.
American Recordings
Dann kam Nick Rubin und bot Cash einen neuen Plattenvertrag an. Nach Sam Philips, dem Produzenten zum Beginn seiner Karriere, beeinflusste Rubin maßgeblich Cashs Song Interpretationen. Rubin produzierte in der Vergangenheit Run DMC, die Beastie Boys oder Red Hot Chilli Peppers. Mit den American Recordings erschloss sich Johnny Cash ein neues und junges Publikum. Diese Alben waren auch eine Kampfansage an Nashville und den seit den 90er-Jahren kommerziell erfolgreichen und seichten Country-Pop.
Wie lässt sich der Erfolg von Cashs American Recordings erklären? Ich traue mich kaum das Wort zu benutzen: Cash wirkt authentisch. Er singt, was er füllt, und fühlt was er singt. Die Songs sind traurig, melancholisch und doch lässt er sich von seiner schweren Krankheit nicht unterkriegen. Er singt Eigenkompositionen und covert Songs, die jeden Hörer berühren. Die Interpretationen der Cover Songs klingen wie Eigenkompositionen. In den späten Aufnahmen ist seine Stimme brüchig und vom nahen Tode gezeichnet.
Die Arrangements sind schlicht. Auf dem ersten Album der American Recording Serie begleitet Cash seine Lieder über Gewalt und Freiheit nur mit einer akustischen Gitarre. Doch ist er auch bereit neue musikalische Wege zu gehen. Wenn auch die erste LP America I keine typische Countryplatte ist, so ist die zweite LP Unchained rockiger. Begleitet wird Cash von Tom Petty and the Heartbreakers, Red Hot Chili Peppers und Fleetwood Mac.
Die American Recording Serie ist für Cash ein musikalischer Rückblick auf sein Leben.
Zusammenfassung
Dies ist nicht nur ein Buch für Fans der Countrymusik. Dobler beschreibt Cash als einen Künstler voller Widersprüche, der viele Hörer überfordert.
Weshalb die einen dann eben den Gläubigen nehmen, die anderen den Sänger größer Country-Hits, diese den sein Land Liebenden Amerikaner, jene den mutigen Protestsänger. Den einen reicht der Sun Records-Mann….den von Drogen angetriebenen Rock’n Roller und, wie die Jüngsten (im Schulterschluss mit den Country-Hassern), den eigentlichen Großvater von Kurt Cobain, den von Kid Rock so verehrten, von Rick Rubin produzierten und von LL Cool J als „Godfather of Gangsta Rap“ gewürdigten Bad Lieutenant.4
Johnny Cash spielte in der Colombo Folge Schwanengesang einen erfolgreichen Countrysänger, der einen Mord begeht.
In diese Folge sind mehrere Lieder von Johnny Cash zu hören. Nach seiner Überführung als Mörder, bemerkt Colombo.
Wer solch gute Musik macht, kann nicht ganz schlecht sein.5
Welche LPs von Johnny Cash sollte man hören?
1.) Es ist immer interessant, sich das Frühwerk eines Musikers anzuhören. Deshalb empfehle ich Johnny Cash: Eight Classic Albums.
2.) Meine zweite Empfehlung, Bitter Tears hat weniger musikalische Gründe, sondern dies ist ein Konzeptalbum mit Songs über das Schicksal der Indianer.
3.) Johnny Cashs Liveauftritt 1969 im Gefängnis San Quentin.
4.) Von der American Recording Serie gefällt mir Teil 3, Solitary Man, am besten.
Eine kurze Geschichte der Countrymusik
Grundlage der Countrymusik war die Old-Time Music, auch als Hillbilly Musik bezeichnet. Die Einflüsse stammen aus der europäischen Folklore, der irischen und englischen. Die Begleitung der Lieder erfolgte mit einfachen Instrumenten. Die Fidel und das Banjo wurden die dominierenden Begleitinstrumente. Später kam die Gitarre, die Geige, das Akkordeon und die Mundharmonika dazu. Aus der afroamerikanischen Musik wurde der Rhythmus übernommen.
Der kommerzielle Durchbruch gelang in den 20-iger Jahren mit dem Aufkommen des Radios und der Schallplatten. Der Radiosender WSM sendete Liveveranstaltungen von Old-Time Musikern/Countrymusikern, den sogenannten Barn Dance Shows. Daraus entstand die Grand Ole Opry, eine Countrymusik Radioshow, die seit 1925 Konzerte überträgt.
Alexander Campbell „Eck“ Robertson (* 20. November 1887 † 15. Februar 1975) veröffentlichte 1923 eine Schallplatte mit dem Stück Sallie Gooden. Dieses Stück gilt als Beginn der kommerziellen Countrymusik und Eck Robertson als einer der ersten Old-Time Musikern/Countrymusikern der eine LP veröffentlichte.
Der Musikproduzent Raph Peer vom bedeutenden Victor Label fuhr 1927 mit einem mobilen Aufnahmestudio nach Bristol, Tennessee. Hier zeichnete er auch Aufnahmen von Jimmie Rodgers und der Carter Family auf, den ersten Superstars der Countrymusik.
Franz Dobler. The Beast in me. Johnny Cash…und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik.Wilhelm Heyne Verlag. München. 6. Auflage Taschenbuchausgabe 10/2021
4) S.314
1) Erinnerung an die schwarzen Wurzeln der Countrymusik. Veröffentlicht am 4. November 2016 von Thomas Waldherr in Specials. Abgerufen am 19. April 2022.
2) National Museum For African American Music in Nashville eröffnet. Veröffentlicht am 15. Februar 2021 von Thomas Waldherr in Specials. Abgerufen am 19. April 2022.
3) So begann Johnny Cash seine Konzerte.
5) Deutsche Colombo-Fansite. Abgerufen am 30. April 2022.
Johnny Cash – Serie American-Recordings. Dr. med.
Gertraud Puschmann-Reuter.
Bill C. Malone: Country Music, USA. University of Texas Press, Austin 2002. (das Standard-Werk zur Geschichte der Country-Musik in englischer Sprache)