Foto: Udo Weier, 2022

Edward Morgan Forster. Die Maschine steht still.

Pflichten, elterliche, enden mit der Geburt § 422327483.4

Einleitung

Der englische Schriftsteller Edward Morgan Forster wurde 1879 in London geboren und verstarb 1970 in Coventry. Zu seinen bekanntesten Roman gehört Howards End, Wiedersehen in Howards End. Die Verfilmung aus dem Jahr 1992 von James Ivory in den Hauptrollen mit Emma Thompson und Anthony Hopkins erhielt drei Oscars. 
Die Kurzgeschichte Die Maschine steht still (The Machine stops) erschien 1909 und ist der einzige Science-Fiction von Edward Morgan Forster.

Inhalt

Ein Gedankenexperiment: Innerhalb von wenigen Tagen bricht das Internet weltweit zusammen. Die Server stellen ihren Betrieb ein. Der Datenaustausch zwischen Privatpersonen, Unternehmen und staatlichen Behörden wird beendet. – Stille im World Wide Web –
In dem Roman Die Maschine steht still, leben die Menschen in unterirdischen Einzelzimmern. Die Kommunikation der Menschen erfolgt über die MASCHINE. Eine der Bewohnerin ist Vashti. Für sie besitzt die MASCHINE einen göttlichen Status und sie betet das Handbuch der MASCHINE an.

Edward Morgan Forster. Die Maschine steht still. Übersetzer: Gregor Runge. Verlag Hoffmann und Campe

Stellt euch, wenn ihr könnt, ein kleines Zimmer vor, sechseckig, wie die Zelle einer Bienenwabe. Es hat weder ein Fenster noch eine Lampe – und doch ist es von einem sanften Leuchten erfüllt. Es gibt keine Abluftöffnung – und doch ist die Luft unverbraucht. Es sind keine Instrumente zu sehen – und doch wird dieses Zimmer, jetzt, da meine Betrachtung ihren Anfang nimmt, von wohligen Klängen durchpulst.1

Die MASCHINE versorgt die Menschen mit Nahrung, Kleidung, Luft und heilt Krankheiten. Bei Wunsch entstehen ein Badezimmer und zur Nachtzeit ein gemütliches Bett. Die Menschen bewegen Hebel und drücken Knöpfe und sofort erscheinen die gewünschten Waren und Dienstleistungen. Es gab einen Knopf für Kaltbäder. Es gab einen Knopf für Literatur. Und natürlich gab es jene Knöpfe, die es ihr ermöglichten, mit ihren Freunden zu kommunizieren. Sie hatte Abertausend Bekannte.

Als Nächstes betätigte sie wieder den Isolationsknopf, und die Anfragen der letzten drei Minuten stürzten auf sie ein … Wie ist das Essen? Kannst du es empfehlen? Hast du Ideen gehabt in letzter Zeit?2

Die Menschen sind vollständig abhängig von der MASCHINE. Sie tauschen IDEEN und EREIGNISSE aus. Die dürfen allerdings nicht aus direkter Anschauung entstehen.

Es gibt im Grunde keine Ideen aus erster Hand. Es handelt sich um bloße Reaktionen des Körpers auf Liebe und Angst, und wer könnte auf einem so rohen Fundament schon eine Weltanschauung errichten? Bezieht eure Ideen aus zweiter Hand, wenn möglich aus zehnter Hand, erst dann ist das verstörende Moment des direkten Erlebens ausreichend abgeschwächt. 3

Der Austausch von Ereignissen und Ideen ist wichtiger als der persönliche Kontakt zu den Menschen und das Kennenlernen der Welt außerhalb des Zimmers. Dieser Verlust des persönlichen Kontakts mit der Welt zerstört die Gefühle der Menschen und führt zu einer Entfremdung von der Welt.
Kuno nimmt eine Gegenposition ein. Er will seine Mutter von Angesicht zu Angesicht sehen und wünscht ihren Besuch. Daraufhin wirft Vashti ihm Maschinenfeindlichkeit vor. Sie weigert sich, ihr vertrautes Einzelzimmer zu verlassen, aus Angst vor den Gefahren in der Welt.
Mit einem Luftschiff fliegt sie zu der Wohnung ihres Sohnes. Als eine Flugbegleiterin sie berührt, um zu vermeiden, dass sie stürzt, ekelt sie sich vor der körperlichen Nähe. Das Licht des Sonnenaufgangs in ihrer Kabine stört sie.
Während Vashti sich anpasst, rebelliert Kuno gegen die Macht der Maschine. Er ist neugierig und sucht die sinnliche Erfahrung in der Natur und Umwelt. Er holt sich das Gefühl für den Raum zurück. Er geht kurze und weite Wege, um wieder das Gefühl für nah und fern zu bekommen. Bei einem Flug mit einem Luftschiff bewundert er die Schönheit des Sternenhimmels.
Bei seinem Gang an die Erdoberfläche glaubt er Menschen zu hören und zu sehen. Menschen, die nicht dem Einfluss der MASCHINE unterliegen. Er betritt ohne Erlaubnis die Erdoberfläche. Dieses Vergehen wird mit HEIMATLOSIGKEIT bestraft. Das Aussetzen auf der tödlichen Erdoberfläche ohne Schutzgeräte.
Die Musikübertragungen der MASCHINE enthalten Störgeräusche und dies sind erste Anzeichen für eine nicht mehr perfekt arbeitende MASCHINE.

Zusammenfassung

Beim Lesen dieser Kurzgeschichte denkt jeder sofort an das Internet, Facebook und die sozialen Medien. Jaron Lanier beschrieb diesen Roman als „früheste und wahrscheinlich auch zutreffendste Beschreibung des Internets.“ Zur Erinnerung: Diese Kurzgeschichte erschien 1909 und ich kann nur staunen, wie konkret Forster das heutige Internet vor mehr als 100 Jahren auf weniger als 100 Seiten beschreibt!
Diese Kurzgeschichte beschreibt zwei Realitäten, die „virtuelle Realität“, die die MASCHINE produziert. Die Menschen leben in ihren Einzelzimmern in einer „virtuellen Realität“. Über die MASCHINE beziehen die Menschen ihr Wissen von einer Welt aus „zweiter Hand“, „zehnter Hand“

Kuno sucht das direkten Erleben in der „realen Realität“. Für Kuno sind die direkten sinnlichen Wahrnehmungen und Erlebnisse lebenswichtig, weil sie zu starken Gefühlen von Freude, Glück, Trauer und Wut und damit zu einem intensiven Erleben der Welt führen.
Heute ist Forsters Vision längst Realität. Heute kommunizieren wir weltweit mit Menschen, ohne sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Wir bekommen über das Internet Waren nach Hause geliefert. Vielleicht entsteht mit 3-D-Druckern die nächste höhere Stufe der Warenlieferung. Mit 3-D Brillen sollen wir uns in Zukunft im Metaverse bewegen.
Kommen wir zurück zu unserem Gedankenspiel. Eine Welt ohne Internet ist nicht mehr vorstellbar. Auch ich habe von diesem Buch über das Internet erfahren! Vielleicht ist es ein Gewinn, wenn unsere MASCHINE, das Internet und das hektische Leben für eine kurze Zeit stillsteht.
Diese Dystopie entlässt den Leser nicht ohne Hoffnung. Kuno rebelliert gegen die Herrschaft der MASCHINE. Er ist ein Vertreter der Menschen, die in der Vergangenheit und auch in der Zukunft unter Einsatz ihres Lebens mutig gegen menschenfeindliche Herrschaftssysteme kämpfen, um ihre Individualität zu retten. 
Außerdem bin ich optimistisch, dass Forsters Dystopie keine Realität wird! Der Beweis sind auch die letzten zwei Jahre der Corona Pandemie. Die Menschen vermissten Livekonzerte, den Besuch von Restaurants, sich mit Familienangehörigen zu treffen, das Reisen … in der Welt aktiv zu sein.
George Orwells 1984 und Aldous Huxleys Schöne neue Welt gehören zu den Klassikern der dystopischen Romane. Die Kurzgeschichte von Edward Morgan Forster ist ein weiterer Klassiker der dystopischen Romane.

Popmusik-Level 42: The Machine stops

Level 42 The Machine stops

Level 42 wurden 1979 gegründet. Kennzeichen dieser Band sind schöne Popmelodien, kombiniert mit Funk und als Band der 80 er Jahre enthalten die Stücke auch Elemente des Synthiepop. Mark King und Mike Lindup nennen als ihre musikalischen Vorbilder auch die Jazzmusiker Miles Davis John McLaughlin, Keith Jarrett und Jan Hammer. Deshalb sind auch Jazzeinflüsse in der Musik nicht zu überhören. Die 42 im Bandnamen ist eine Anlehnung an Douglas Adams Roman Per Anhalter durch die Galaxis. (Der Supercomputer gibt in dem Roman diese Zahl als Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens). Von den Gründungsmitgliedern Mark King, Rowland „Boon“ Gould, Phil Gould und Mike Lindup  gehören noch Mark King und Mike Lindup zur Band. Die beiden anderen Mitglieder sind verstorben.

1983 erschien das vierte Studioalbum Standing in the Light . Der letzte Track auf dem Album The Machine stops ist von E. M. Forsters Kurzgeschichte inspiriert.

All the love we’ll never know
The machine has got control
I found the air
The machine stops

Edward Morgan Forster. Die Maschine steht still. Übersetzer: Gregor Runge. Verlag Hoffmann und Campe

1.) S.5

2.) S.12

3.) S.58

4.) S.19

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