Lyrik am Bahngleis
Nach meiner Rückkehr aus Frankreich musste ich am Karlsruher Hauptbahnhof umsteigen. Beim warten auf meinen Anschlusszug sah ich auf Gleis 1 einen Text mit diesen existenzialistischen Aussagen.
Ich bin ein Individuum. Weit mehr als jede ausgedachte Figur aus irgendeiner Erzählung. Ich atme. Ich fühle. Ich lebe. Und das jeden Tag. Ich esse. Ich arbeite. Ich schlafe. Ich bin wie Du. Ich renne. Ich springe. Ich klettere und fliehe. Ich stelle mich. Ich schreie. Ich erschaffe und zerstöre. Ich mache das, weil ich es machen kann. Und das mein Leben lang.
Der Text regt zum Nachdenken an und machte mich neugierig auf den Autor des Textes.
Der Text stammt von den beiden Aktionskünstlern Matthias Wermke und Mischa Leinkauf.1 Anlässlich des 300. Stadtgeburtstags Karlsruhes im Jahr 2015 installierte das Künstlerduo auf Einladung des Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) an verschiedenen Orten in Karlsruhe zeitlich begrenzte Kunstwerke. Das Schriftbild auf Gleis 1 ist übrig geblieben.
Bekannt wurde das Künstlerduo mit spektakulären und irritierenden Performances im öffentlichen Raum. In der Nacht zum 22. Juli 2014 ersetzten sie das Sternenbanner auf der New Yorker Brooklyn Bridge gegen eine handgenähte weiße Fahne. Die Behörden in New York interpretierten diese Aktion politisch. Sie sahen in dieser künstlerischen Aktion eine terroristische Bedrohung. Gleichzeitig wurde die Aktion als Kapitulation vor was oder wem auch immer und deshalb als Provokation verstanden.2
1) Homepage Matthias Wermke und Mischa Leinkauf. Abgerufen am 12. November 2022
2) StiftungKunstfonds. AUSGEZEICHNET #1: Künstlerduo Wermke und Leinkauf. Abgerufen am 12. November 2022