Pénélope Bagieu. Unerschrocken
Einleitung
Pénélope Bagieu ist eine französische Illustratorin und wurde am 22. Januar 1982 in Paris geboren. Sie veröffentlichte u. a. auch einen Comic über die Sängerin der Band Mamas and the Papas, Cass Elliot.
Inhalt
In diesem Comic erzählt und zeichnet Pénélope Bagieu die Lebensgeschichten von fünfzehn außergewöhnlichen Frauen. Die Mehrzahl der Lebensgeschichten waren mir nicht bekannt. Folge meiner mangelnden Bildung? Oder doch eher, weil die Leistungen von Frauen in der Vergangenheit nicht anerkannt und vergessen wurden!
Die Frauen in diesem Comic sind Vorbilder, weil sie Widerstände in der Gesellschaft überwanden. Frauen, die die von ihr erwarteten Verhaltensweisen als Individuum und Frau nicht akzeptierten. Frauen, die einen individuellen Nachteil nicht als Schicksal hinnahmen, und ihrem Leben einen neuen Sinn gaben.
Die Schauspielerin Margret Hamilton, die mit ihrer zu großen Nase und einem teuflischen Lachen als Hexe im Film Der Zauberer von Oz berühmt wurde, und in drei Episoden der Addams Family auftrat. Annette Kellermann litt an Kinderlähmung und wurde eine schwimmende Schauspielerin. 1907 erregte sie Aufsehen, als sie am Strand von Boston einen einteiligen Badeanzug trug. Sie gilt als Erfinderin des einteiligen Badeanzugs für Frauen.
Wäre die Welt besser, wenn Frauen mehr Macht besitzen? Pénélope Bagieu zeichnet den Lebenslauf von zwei Frauen in Machtpositionen. Nzinga, Königin von Ndango und Mtamba, und die einzige Kaiserin von China. Beide gehen über Leichen, um ihre Positionen zu erreichen und zu sichern. Auch Frauen schaffen Strukturen, um ihre Machtpositionen zu sichern.
Doch auch Frauen kämpfen gegen die Mächtigen. Die drei rebellischen Schwestern Mirabal bezahlten ihren Kampf gegen den dominikanischen Diktatur Trujillo mit dem Leben. Der Tag ihrer Ermordung, der 27. November, ist der Gedenktag zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen.
Mir war nicht bekannt, dass Josephine Baker nicht nur leicht bekleidet im Revuetheater tanzte. Sie kämpfte in der Résistance gegen die Nazis und engagierte sich in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und in der Liga gegen Antisemitismus.
Zusammenfassung
Anschaulich erzählt Penelope Bagieu mit witzigen Bildern und Texten die Lebensgeschichte dieser außergewöhnlichen Frauen. Mit dem sparsamen Text erhält der Leser viele wichtige Informationen.
Die Biografien dieser außergewöhnlichen Frauen machen Frau und Mann Mut.
Josephina van Aefferden aus Roermond
Pénélope Bagieu erzählt und zeichnet die Lebensgeschichte der Niederländerin Josephina van Aefferden.
Nach dem niederländischen Modell der Versäulung (Verzuiling) lebten die verschiedenen religiösen Gruppen nebeneinander und unterhielten eigenständig soziale Organisationen. Freizeitvereine, Sportclub und soziale Einrichtung wurden nach Säulen getrennt. Die Zusammenarbeit zwischen den Säulen erfolgte über die Eliten.
Dies war eine Basis der niederländischen Toleranz, die eigene religiöse Gruppe gegenüber äußeren Einflüssen abzuschotten. Der Kontakt beschränkte sich auf Personen innerhalb der eigenen religiösen Gruppe. Deshalb bleibt es ein Rätsel, wie sich die Katholikin Josephina van Aefferden und der Protestant Jacob Werner van Gorkum kennenlernen konnten. Eheschließungen zwischen Mitgliedern verschiedener religiöser Gruppen wurden nicht akzeptiert. Deshalb erfolgte die Trauung in Pont bei Geldern. Beide behielten ihre Konfession und lebten anscheinend glücklich über 30 Jahre in Roermond. Das Paar hatte 5 Kinder.
Diese Ehe veranschaulicht die politischen und sozialen Widersprüche der damaligen Gesellschaft. Akzeptiert wurde wahrscheinlich der Altersunterschied. ( Jacob Werner van Gorkum war 11 Jahre älter).
Josephina stammt aus einer deutschen katholischen Adelsfamilie. Jacob Werner van Gorkum hingegen aus einer reformierten Amsterdamer Bürgerfamilie. Diese Heirat verstieß sicherlich gegen gesellschaftliche Konventionen, denn nur die Heirat Josephinas mit einem Adligen galt als standesgemäß.
Widerstände gegen die Heirat gab es auch wegen der politischen Stimmung in der Provinz Limburg, zu der Roermond gehörte. Im Gegensatz zum protestantischen Teil der Niederlande war Roermond katholisch geprägt und gehörte bis 1830 zum Königreich Belgien. Es bestanden Bestrebungen im katholischen Adel, Limburg vom Königreich der Niederlande abzutrennen und sich Belgien anzuschließen. Der katholischen Adel sah den Protestanten Jacob Werner van Gorkum, der auch Oberst der Kavallerie der Niederlande war, als ein Vertreter des Königreichs der Niederlande und als Gegner an.
Die Bürger in Roermond empfanden diese Heirat als Skandal und verweigerten dem Ehepaar ein gemeinsames Grab.
Der katholische und protestantische Friedhof liegen nebeneinander, getrennt durch eine Mauer. Als van Gorkum 1880 starb, ließ ihn seine Witwe direkt an der Mauer auf dem protestantischen Friedhof bestatten. Auf ihren Wunsch hin wurde sie acht Jahre später direkt gegenüber auf der katholischen Seite der Mauer bestattet. Beide Gräber sind über die Mauer mit Händen verbunden.
Ein Denkmal der Liebe und des Humanismus und gegen die Dummheit.
Das Doppelgrab steht in Roermond auf dem seit 1785 bestehenden Friedhof, Oude Kerkhof. Der Friedhof ist ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft. Der verschiedenen religiösen Gruppen nutzen gemeinsam einen Friedhof, und gleichzeitig grenzt jede Gruppe ihren Bereich mit einer Mauer ab.
Pénélope Bagieu. Unerschrocken. Fünfzehn Porträts außergewöhnlicher Frauen. Aus dem Französischen von Heike Drescher und Claudia Sandberg. Handlettering von Olav Korth. Verlag Reprodukt.
Popmusik: Starke Frauenstimmen